Programm "Delphin"
Dieses Bauprogramm fand seinen Ursprung in der "Konzeption zur Errichtung von geschützten Führungsstellen" des Nationalen Verteidigungsrates der DDR aus dem Jahre 1968...
Das Wegweisende Bauprogramm "Delphin" und der daraus resultierenden Befehl 10/73 (auch als "Filigran" bekannt). Da es in letzter Zeit immer wieder falsche Darstellungen bzw. Auslegungen zu dieser Thematik gab, möchte ich meine Internetpräsenz dazu nutzen und den Schlagworten etwas Inhalt geben. Man muss ja nicht alles was mit der Geschichte der DDR zusammen hängt verdrehen. Fachlich beraten und unterstützt wurde und werde ich dabei u.a. von J. Freitag (ehem. Stellvertretender Bauwerkskommandant der 17/5001). Ich bin froh, seine Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen und bedanke mich hierfür recht herzlich.
Nun wollen wir uns der Dinge die da "brach" liegen mal etwas nähern. Um es gleich vorweg zu nehmen, ohne das Bauprogramm "Delphin", würde es keinen Befehl 10/73 (Filigran war nur der Tarnname unter der der Befehl geführt und protokolliert wurde) geben.
Der Befehl 10/73 (Dokumente zum Befehl) beinhaltete nur die begleitenden Maßnahmen des MfS in Hinsicht auf die operative Absicherung der Geheimhaltung und die Bereitstellung von Kräften und Mitteln zur Gewährleistung der zentral gestellten staatlichen Aufgaben und trägt das Datum vom 05. Februar 1973. Die Hauptabteilung Personenschutz (HA PS) war die ausführende Dienststelle des MfS. Der Befehl 10/73 hatte mit der Errichtung (dem Bau) der geschützten Führungsstellen an sich überhaupt nichts zu tun. Er zeigte nur auf welche Maßnahmen und Aufgaben zum Schutz dieser Bauwerke und zur Betreibung vom MfS zu erfüllen waren. Der Befehl 10/73 (Filigran) war also kein eigenständiges Bauprogramm des MfS.
Der Nationale Verteidigungsrat beschloss am 21. November 1968 das Bauprogramm "Delphin" (Konzeption zur Errichtung von geschützten Führungsstellen im Zeitraum 1971-1980...). Es umfasste mit 27 Bauwerken und einem Investitionswert von ca. 781 Mio. Mark die Jahre 1971-1980. Anwesend waren u.a. Honecker, Neumann, Norden, Bräutigam, Mielke und Hoffmann. Es war ein gewaltiges Bauvorhaben, sowohl finanziell, als auch Logistisch. Ein Programm zur Schaffung geschützter Führungsstellen (Füst) um im Verteidigungsfall die staatlichen Funktionen, die politische und militärische Führung der DDR zu sichern bzw. mit dieser handlungsfähig zu bleiben. Zusätzlich galt es als Bündnispartner aber auch, die gesicherte Entfaltung der Vereinten Streitkräfte auf dem Territorium der DDR sicherzustellen. (35. Sitzung des NVR am 12. November 1968).
Auf der 44. Sitzung des Nationalen Verteidigungsrates (NVR) am 30. November 1973 wurde die Beschlußvorlage "Grundsätze für die Führung der Deutschen Demokratischen Republik im Verteidigungszustand" vorgestellt, in dem neben der Führung aus vorbereiteten Führungsstellen auch die politische, militärische, staatliche und wirtschaftliche Führung festgelegt wurden. Diese Beschlußvorlage wurde schließlich mit dessen Inhalt am 11. Dezember 1973 vom Politbüro des ZK der DDR bestätigt.
Dem folgte unweigerlich am 03. Mai 1974 in der 45. Sitzung des NVR die an den Grundsätzen aus der Beschlußvorlage vom 30. November 1973 angelehnte neue Beschlußvorlage für die "Konzeption zur Errichtung von geschützten Führungsstellen im Zeitraum 1976-1990...". Mit dieser Vorlage sollte (wurde) der Beschluß des NVR der DDR Nr. 27/33/68 vom 21. November 1968 und die Ordnung des Sekretärs des NVR der DDR vom 05. September 1968 außer Kraft gesetzt. Grundtenor war, den Bedingungen eines modernen Krieges Rechnung zu tragen, in dem die standhafte, ununterbrochene und gedeckte Führung sowohl unter den Bedingungen des Einsatzes von herkömmlichen Mitteln des bewaffneten Kampfes als auch der Anwendung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungsmitteln gewährleisten werden sollte und dementsprechend ALLE Funktionen des Führungssystems der DDR im Verteidigungszustand umfasste. Auch diese Konzeption sah vor, alle politischen Entscheidungsträger, ihre Ministerien und die angeschlossenen Bezirkseinsatzleiter in geschützten Führungsstellen unterzubringen. Die genaue Forderung lautete:
"Die Gewährleistung einer standhaften, stabilen und gedeckten Führung der nachgeordneten Organe, Bereiche und Einrichtungen bei der Überführung der DDR in den Verteidigungszustand und im Verteidigungszustand".
Dabei wurden die einzelnen zu schaffenden Schutzbauwerke entsprechend ihrer Bedeutung in der Führungsstruktur in Schutzklassen (SK) gegliedert. Für die Schutzbauwerke (SBW) der höchsten Führungsebene, wie z.B. das Objekt 17/5001 wurde theoretisch im Plan die Schutzklasse A (höchste Einstufung) vorgesehen. Bei diesem Bauwerk wurde die theoretische Planung dann auch in die Praxis umgesetzt bzw. die Schutzparameter bautechnisch nach Fertigstellung auch erreicht. Diese neuen Maßgaben (zb. Erhöhung des Personalbestands an Führungskräften in den Füst, Bsp: Hfüst Partei- und Staatsführung, von 350 auf 450 Kräfte) führten für die kleine DDR mit Blick auf Bauleistungen und deren Kosten unweigerlich auch zu einem ökonomischen Problem, was sich zb in den Zeiträumen der Errichtung der einzelnen Füst (zb. Füst MfS geändert von 1974-1977 auf 1980-1984) zeigte und schlussendlich zu einer Verlängerung des Gesamtplans (Gesamtkosten: rund 1,8 Mrd. Mark für 18 Bauwerke) bis 1990 führte. Bis 1980 die Errichtung von 27 Bauwerke abzuschließen führte nun zu einer Änderung vom Bauprogramm "Delphin". Die Beschlußvorlage wurde in Strausberg bestätigt und protokollarisch festgeschrieben. Anwesend waren Honecker, Sindermann, Keßler, Streletz, Stoph, Mielke, Albrecht, Verner.
Auf der 52. Sitzung des NVR am 30. September 1977 gab der Minister für Nationale Verteidigung Armeegeneral H. Hoffmann einen Überblick über den "Stand der Realisierung des Beschlusses des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 03.05.1974 zur Durchführung eines Programms zentraler Spezialbauten und Schlußfolgerungen für die weitere Entwicklung". Wesentlicher Inhalt der Beschlussvorlage war die forcierte Realisierung des Komplexes der Hfüst der Partei- und Staatsführung durch Konzentration der Kräfte und Mittel für eine termin- und qualitätsgerechte Projektierung und Baudurchführung, sowie Grundsätze zur Übergabe/Übernahme von nutzungsfähigen Teilkapazitäten durch den Minister und den Bedarfsträgern zu erarbeiten.
Gleichzeitig wurde die Realisierung der Errichtung erneut in einem Präzisierten Plan aufgezeigt und am Bsp. der Hfüst der Partei- und Staatsführung die Fertigstellung von 1979 auf 1981 korrigiert. An der Hfüst lag der erreichte Stand der Realisierung weit unter den Forderungen der Konzeption. Ursache waren eine unzureichende Auffüllung beim GAN Schwedt mit Kadern und Technik, unplanmäßige Entwicklung spezieller Baukapazitäten, unzureichende Führung von Bau- und Sicherstellungsprozessen, sowie die Umsetzung neuer Normativen sowjetischer Spezialbaukenntnisse.
Letzteres führte zu einem Mehraufwand von 60 bis 75 Mio. Mark je Füst (20 Mio. wissenschaftliche Erkenntnisse, 55 Mio. für Hochbau, Funksendestellen, HLP und EDV). Um die Kostensteigerung abzufangen wurden Reduzierungen vorgeschlagen:
- Verzicht Einbau großer EDV-Anlagen (Nachrüstung optional)
- Wegfall teilgeschützter Funktechnik, Reduzierung Wachpersonal
- Nutzung bestehender Hochbauobjekte als Anlaufpunkt mit HLP
- Verminderung Aufwand für Fernsprechanlagen
Dadurch ergab sich rechnerisch eine Reduzierung der Kosten je Füst von 35 Mio. Mark. Bei den größten Bauvorhaben (Hfüst, Füst MR, Füst MfS, Füst MdI) stieg der Investitionsaufwand im Durchschnitt um ca. 20%, als Gesamtinvestitionsaufwand ca. 20%. Über den Stand der Realisierung des Programms (wobei der Name nie genannt wird) zentraler Spezialbauten soll dem NVR 1980 erneut berichtet werden. Daraus wurde dann November 1981 (64. Sitzung).
In der 64. Sitzung des NVR erfolgte nun die letzte "Information über den Stand der Realisierung des Programms zentraler Spezialbauten". Wesentlicher Inhalt war die Steigerung des jährlichen Leistungsvolumen des GAN und die Zuführung weiterer Arbeitskräfte ("Die speziellen zivilen und militärischen Produktionskräfte sind weiterhin vorrangig am Spezialbaukomplex der HAUPTFÜHRUNGSSTELLE einzusetzen") an den GAN. Mit diesen Kennziffern konnte für die Hfüst einschließlich der Sendestelle der Fertigstellungstermin auf den 30.06.1983 datiert werden (Jürgen Datum?). Weitere Festlegungen waren der Ausbau der Füst des MR einschließlich der Sendestelle, Beginn der Errichtung der Füst für den Minister des MfS, die Füst für den Minister des Innern und der BEL Frankfurt/Oder. Als langfristige Investitionsvorbereitungen wurden hingegen u.a. die Afüst der Partei- und Staatsführung, die Füst des Zentralkomitees der SED, des Zentralen Nachrichten- und Informationsbüros und der Redaktion des Neuen Deutschlands (auf dem Hof der Druckerei, Franz-Mehring-Platz) angesehen (Beginn nicht vor 1985). In den Zeitraum nach 1990 wurde zb. der Beginn der Errichtung der Füst für den Bevollmächtigten für Planung, Leistung, Produktion, Versorgung, Finanzen/Banken und Bildung/Kultur verlegt. In diesen Zeitraum fiel auch die Füst der BEL Dresden. Bemerkenswert ist Punkt (3) der "Aufgaben im Zeitraum 1981-1985".
"In Übereinstimmung mit den Empfehlungen sowjetischer Spezialisten ist auf der Grundlage des Regierungsabkommens über die Gewährleistung technischer Hilfe bei der Errichtung von Spezialbauten die militärwissenschaftliche Arbeit auf die allseitige Vorbereitung von neuen Spezialbautypen in Silobauweise zu konzentrieren."
"Die Entscheidung zur Einführung ... ist, ... nach Abstimmung mit dem Minister für Staatssicherheit, den Bedarfsträgern und dem Minister für Bauwesen durch den Minister für Nationale Verteidigung zu treffen."
Unter Punkt 5 "Schlußfolgerungen und Aufgaben" wurde hierzu erklärt,
"In Übereinstimmung mit den sowjetischen Empfehlungen ist im Interesse der weiteren Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit von wichtigen Führungsstellen für die ab 1984 neu zu beginnenden Vorhaben der wissenschaftlich-technische Vorlauf, vorrangig zur Einführung der Silobauweise, zu sichern."
Wo dies dann nachfolgend begonnen wurde dürfte dem Eingeweihten bekannt sein.
Stand: Oktober 2021
(Quellen: J. Freitag/STBWK 17/5001, https://www.bunker5001.com/dokumentation/web-ids-zum-buch/173-webid-310-der-befehl-10-73.html, http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/DVW1_NVR/index.htm)